Was uns die sozialen Neurowissenschaften über angeborene Handlungsmotive verraten

Innerhalb unserer Gesellschaft dominiert immer noch die Vorstellung vom „Homo Oeconomicus“  Dieser Mythos impliziert, dass der Mensch rein nach egoistischen Motiven entscheidet und handelt. Dabei ginge es entweder um Belohnung oder Bedrohung. Bei der Belohnung bilden Leistung, Konsum oder auch Macht Anreize für Handlung. Außerdem funktioniert Motivation über Bedrohung: Hier sind Aggression, Wut oder Angst handlungsbestimmend.

Dies sind jedoch nicht die einzigen angeborenen Motivsysteme des Menschen. Jeder unter uns verfügt auch über das Care-System. Dieses ist ein auf andere Personen ausgerichtetes, sehr altruistisches Motivsystem. Es bildet die Grundlage für Emotionen wie Mitgefühl, Vertrauen oder Dankbarkeit. Zentraler Anreiz für unser Handeln ist hierbei die Fürsorge (Care). Ohne Care System würden wir vermutlich kaum unsere Kinder groß ziehen.

Wird das Care-System aktiviert, kommt es im Gehirn zu einer Ausschüttung des Hormons Oxytocin. Dieses Hormon ist in der Lage, Stress im Körper zu regulieren, und sorgt dafür, dass wir vertrauen oder uns wohl und aufgehoben fühlen. Die Forschung deutet überdies darauf hin, dass aus diesem Motivsystem mit sozialem Fokus ein prosoziales Verhalten entspringt. Wir fühlen uns nicht nur verbundener mit unseren Mitmenschen, sondern verhalten uns auch kooperativer. So trägt das Care-System auch dazu bei, dass wir gesund bleiben.

Ein zweites soziales Motivsystem ist die der sogenannten Affiliation - es benennt unser Bedürfnis, zu einer Gruppe dazuzugehören und von dieser gemocht zu werden.

Vor diesem Hintergrund wurde 2013 das ReSource Project als langfristiges Forschungsprojekt gestatet. Sechs Jahre lang wurden untersucht wie durch mentales Training Gehirn, Körper und soziales Verhalten beeinflusst werden können. Mehrere hundert Teilnehmer nahmen über einen Zeitraum von etwa drei Jahren teil.

Die wichtigsten Ergebnisse der Resource Studie waren

  1. Atemmeditation und Bodyscan reduzieren zwar generell Stress in allen Lebenssituationen, doch sie sind nicht so wirkungsvoll bei sozialem Stress, wie die Übungen der affektiven und gedanklichen Perspektivenübernahme. Mit anderen Worten: Teilearbeit zu zweit in einer meditativen Haltung kombiniert mit meditativen Übungen ist das Element, welches sozialen Stress am wirkungsvollsten reduziert.

  2. Gedankliche Perspektivenübernahme in Meditation (sich in eine Teilpersönlichkeit von sich selbst oder/und einer anderen Person zu versetzen) und achtsames Zuhören den Äusserungen einer Teilpersönlichkeit einer anderen Person, fördern die Fähigkeit, sich selbst und andere gedanklich zu verstehen. Das kortikale (“Theory of Mind” oder “Mentalizing”) Netzwerk im Gehirn für gedankliche Rollen-/Perspektivenübernahme verdickt sich durch diese Übungen, insbesondere der parietale präfrontale Kortex.

  3. Affektiv-emotionale Perspektivenübernahme mit einem unangenehmen und einem angenehmen Erlebnis in einem Zweiergespräch, kombiniert mit Metta/karuna-Meditation (liebevolle Güte/Mitgefühlsmeditation) fördern die Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen. Das limbische und paralimbische Netzwerk für Mitgefühl, Fürsorge und prosoziale Motivation im Gehirn verdickt sich durch solche Übungen. Dieses Netzwerk ist grundlegend für Vertrauen und Altruismus. Dabei werden u. a. Oxytocin und Opiate im Gehirn ausgeschüttet, die zentral sind für soziales Verhalten und gelingende zwischenmenschliche Wechselwirkungen.


Für die Arbeit mit Beziehung sind diese Ergebnisse sehr bedeutsam, sie zeigen, dass und wie wir die Fähigkeiten von Perspektivübernahme und Herzöffnung schulen und trainieren können, um so mehr mit dem Anderen in Vertrauen zu kommen.

Mehr dazu: https://www.resource-project.org

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